Depression im Studium: Wenn nichts mehr geht
Depression im Studium: Betroffene sollten sich früh Hilfe holen. | Foto: Xavier Sotomayor/Unsplash
Depression: Immer mehr Studierende sind betroffen
"Rund eine halbe Million Studenten psychisch krank", vermeldete der BARMER-Arztreport im Februar. Je älter die Studierenden werden, desto höher sei das Risiko, an einer Depression zu erkranken. Ausschlafen, hin und wieder in die Vorlesung und abends ab in den Park mit einem Bier: Heißt es nicht immer, das Leben von Studierenden sei entspannt? Depressionen gelten längst als Volkskrankheit – dass Studierende davon nicht ausgeschlossen sind, verwundert wenig. Über fünf Millionen Deutsche erkranken mindestens einmal in ihrem Leben an einer Depression, es trifft zunehmend auch junge Erwachsene, wie eine Studie des Statistischen Bundesamts zeigt. Die Zahlen steigen.
Dennoch: Das ist eine positive Entwicklung
"Ein gutes Zeichen", sagt Ulrich Hegerl. Der Mediziner ist Professor am Universitätsklinikum Leipzig und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe: "Das bedeutet nicht, dass heute mehr Menschen erkranken, sondern, dass sich mehr Menschen Hilfe suchen, dass die Ärzte Depressionen besser erkennen und dass mehr Hilfsangebote bestehen." Die positive Bilanz ließe sich auch am Rückgang der Suizide erkennen. "In den vergangenen 35 Jahren sank die Zahl von 18.000 auf 10.000 Suizide. Depression ist eine der wichtigsten Ursachen für Suizide."
Der Auslöser ist nicht gleich die Ursache
Gefährlich wird eine Depression dann, wenn der Betroffene sich isoliert, mit niemandem spricht und sich das Gefühl der Hoffnungslosigkeit ausbreitet. "Die Depression schaut sich – bildlich gesprochen – um, was es gerade Negatives im Leben gibt. Irgendwas findet sie immer, vergrößert es und rückt es ins Zentrum", erklärt Hegerl. So scheint es häufig, dass die Depression ihre Erklärung gleich mitbrächte: Prüfungsstress etwa, oder Liebeskummer. Die tatsächliche Ursache liegt häufig aber an anderer Stelle. Und die Ursache muss erst gefunden werden: "Wir neigen dazu, die äußeren Faktoren zu überschätzen." Eine Veranlagung zur Depression sei die häufigste Ursache für Depressionen. Hat man diese, reichen zum Teil schon kleinste Veränderungen am Lebensgefüge, wie eine nicht bestandene Prüfung oder eine Überlastungssituation, die den Betroffenen in eine Depression rutschen lassen: "Aber das ist dann nur der Trigger, nicht der tatsächliche Auslöser. Wer keine Veranlagung hat, dem kann das Leben noch so übel mitspielen, der kriegt keine Depression."
Die Einbahnstraße in Richtung Sackgasse?
Wie kann aber man erkennen, ob jemand depressiv ist, oder einfach nur schlecht drauf? Professor Hegerl, der die Erkrankung bei vielen erlebt hat, umreißt es so: Depressive bemerken einen unerträglichen Zustand, den sie nicht einordnen können, sind freudlos, hoffnungslos, haben Schuldgefühle, können nachts nicht schlafen, liegen grübelnd im Bett – "kurz: der Eindruck, in einer Sackgasse zu stecken." Um von einer Depression zu sprechen, müssen jeweils wenigstens zwei Krankheitszeichen mindestens zwei Wochen lang vorhanden sein:
- gedrückte Stimmung
- tiefsitzende Unfähigkeit Freude zu empfinden
- das permanente Gefühl von Erschöpfung
- überwältigendes Überforderungsgefühl
- Schlafstörungen
- Essstörungen
- Neigung zu Schuldgefühlen
- Konzentrationsstörungen (manche denken, sie leiden an Alzheimer)
- Hoffnungslosigkeit
- Suizidgedanken
Depressionen lassen sich sehr gut behandeln
Das Wichtigste ist, zu wissen, dass sich Depressionen sehr gut behandeln lassen, insbesondere, wenn sie frühzeitig erkannt werden. Erste Einschätzungen kann bereits der Hausarzt treffen, in Fällen von schweren Depressionen ist der Besuch beim Facharzt, einem Psychiater oder Nervenarzt ratsam. "Die beiden Hauptbehandlungssäulen sind einerseits Antidepressiva und andererseits die Psychotherapie, die von gut ausgebildeten Psychotherapeuten angeboten wird. Die können das dann über die Kasse abrechnen. Meistens wird das Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie angewendet", sagt Hegerl. Antidepressiva wirken, anders als Schmerz- oder Schlafmittel, nicht sofort, sondern erst nach etwa ein bis zwei Wochen. Dann stelle sich jedoch zügig eine Besserung ein. In der Regel werden Betroffene nach den Erfolgen noch einige Monate weiter behandelt, um langfristige Erfolge zu erzielen. "Das sind sehr gute Medikamente – und auch viel besser, als häufig angenommen wird."
Depression im Studium = das eigene Leben nicht im Griff?
Psychische Erkrankungen sind häufig mit einem sozialen Stigma belegt. Einer der Gründe ist, dass viele noch immer glauben, eine Depression sei selbstverursacht. Es handelt sich aber tatsächlich um eine Erkrankung. Auch der Modebegriff "Burnout" behindere Hegerl zufolge eine adäquate Behandlung: "Es gibt keine offizielle Diagnose Burnout. Das ist ein Sammelsurium von allen möglichen Krankheitsbildern, aber es gibt keine Definition, damit also auch keine Therapiestudien." Vielen liegt der Gedanke in den Urlaub zu fahren oder länger zu schlafen nahe, wenn sie an den schwammigen Begriff Burnout denken. Bei Depressionen ist das aber genau falsch: Fremde Umgebungen können die Depression verschlimmern und Schlafentzug ist sogar ein etablierter Behandlungsansatz, berichtet Hegerl. "Das einzig Gute ist, dass sich viele Menschen mit Depressionen unter dem weniger stigmatisierten Label Burnout Hilfe holen."
Manchmal braucht man Unterstützung
Nicht immer sind Menschen mit Depressionen selbst in der Lage zu erkennen, dass sie Unterstützung brauchen oder das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Lähmung macht es ihnen nahezu unmöglich, zum Arzt zu gehen. Sollte jemand das Gefühl haben, dass es einem Freund oder Bekannten nicht gut geht, rät Hegerl zum Gespräch mit dem eventuell Betroffenen: "Da kann man sich ein genaueres Bild machen, und dann kann man ihn motivieren, sich Hilfe zu suchen, und anbieten, ihn zu begleiten." So können Depressionen zwar jeden treffen, sind jedoch gut behandelbar. Neben dem Info-Telefon Depression gibt es häufig regionale Angebote sowie niederschwellige Online-Angebote – auch von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Nachgefragt: Max über sein Studium mit Depressionen
Max*, 27, studiert Soziologie: "Die Therapie hat mir am meisten geholfen."
UNICUM: Wann wurde bei dir eine Depression diagnostiziert und wie lange etwa hattest du vorher bereits die Vermutung?
Max: Vor drei bis vier Jahren. Zuvor hatte ich immer wieder Phasen, in denen es mir schlechter ging. Mit 20 habe ich bereits schon einmal darüber nachgedacht, mich in Therapie zu begeben.
Bist du froh, dass du dir Unterstützung gesucht und dich in Behandlung begeben hast? Welche Form der Behandlung war das in deinem Fall?
Ich bin heilfroh, mich in Behandlung begeben zu haben. Die Therapie (tiefenpsychologisch fundiert) hat mir am meisten geholfen. Zwischenzeitlich habe ich für ein Jahr Antidepressiva genommen. Zu diesem Zeitpunkt war das sinnvoll, ich würde aber nur noch im absoluten Notfall darauf zurückgreifen und auch nur in Begleitung einer Therapie.
Wie funktioniert es, gegen die Depression vorzugehen und gleichzeitig den (Studenten-)Alltag zu handeln?
Ich glaube es ist grundsätzlich schwierig, mit einer Depression den Alltag gut geregelt zu bekommen. Während des Studiums konnte ich mir allerdings sehr gut Zeit für den Heilungsprozess nehmen. Für mich war das ein guter Zeitpunkt, da ich die mit dem Studium einhergehende Flexibilität im Arbeitsalltag nicht mehr haben werde. Das Schwierige am Studium mit Depression ist meines Erachtens, dass es keinen Druck und keinen geregelten Alltag gibt. Diese wären eine gute Stütze gegen die Antriebslosigkeit, welche mit einer Depression einhergeht.
*Name von der Redaktion geändert
Hier kannst du dir Hilfe holen:
- Info-Telefon Depression: 0800/3344533
- Selbsttest: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/selbsttest
- Online-Trainings für Studierende durch Studicare: http://www.studicare.com
- Online-Forum für Erfahrungsaustausch: www.diskussionsforum-depression.de
- Beratung und Selbsthilfegruppen speziell für Angehörige: www.bapk.de
- Unterstützungsangebot an Universitäten: Die Psychologischen Beratungsstellen der Universitäten können von Studierenden kostenlos und vertraulich in Anspruch genommen werden.
- Regionale Unterstützungsangebote: Sozialpsychiatrische Dienste bei den Gesundheitsämtern in jeder Gemeinde
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