Don't panic: Autofahren verlernt man auch nach langer Pause nicht!

Ann-Christin Kieter - 15.12.2016

Wiedereinstieg Autofahren

Angst beim Autofahren? Nicht mit unseren Tipps! | Foto: Thinkstock/PaulGarnier

Schweißausbruch und Co.: Woher die Angst kommt

Ob man wirkliche Panik vor der ersten Autofahrt nach längerer Zeit hat oder nur ein leicht mulmiges Gefühl, ist sicherlich eine Typ-Frage. "Letztendlich sind es die Phantasien, die wir uns machen, weil die Psyche die dazu passenden Gefühle produziert. Wenn ich mich in Gedanken reinsteigere wie 'Oh Gott, hoffentlich passiert mir nichts', muss die Aufregung ja steigen, dann kann ich nicht neutral bleiben", erklärt Diplom-Psychologe Holger Walther.

Ein bisschen Aufregung sei ihm zufolge aber durchaus erlaubt. Von echter Angst spreche man, sobald körperliche Begleiterscheinungen hinzukommen: Schweißausbruch, hektische Atmung, den Puls am Hals spüren. Und auch, wenn man das Fahren immer wieder hinausschiebt: "In dem Moment, wo ich ohne Auto viel länger brauche und es nicht wirklich mit Umweltbewusstsein erklären kann, dann habe ich mir vermutlich eine Strategie überlegt, wie ich das Ganze umgehen kann", sagt der Psychotherapeut.  

Atmen und PME: zwei beliebte Entspannungstechniken

Wer im Auto sitzt und die körperlichen Symptome der Angst bei sich feststellt, kann und sollte nicht einfach losfahren. Der Experte empfiehlt in dem Fall Entspannungsübungen, die die Angst zwar nicht komplett nehmen, aber durchaus beruhigen können. Die folgenden zwei (und drei weitere) Techniken stellt Holger Walther ausführlich in seinem Ratgeber "Ohne Angst am Steuer" (UVK Verlag) ausführlich vor.

  • Atem-Zähl-Übung: Ganz bewusst ein- und ausatmen und dabei in Gedanken die Atemzüge bis zu einer vorher festgelegten Zahl zählen. Bereits zwei bis drei Minuten sorgen für eine deutliche Entspannung. Das sind in etwa 40 Atemzüge, wobei diese nach hinten hin immer länger werden sollten.
  • Progressive Muskelentspannung (PME): Dabei konzentriert man sich nacheinander auf verschiedene Muskelgruppen, wobei die Übung immer aus den drei Phasen Aufmerksamkeit, Anspannung und Loslassen besteht. Die Waden spannt man zum Beispiel an, indem man die Zehen Richtung Boden drückt, die Unterarme und Finger, indem man die Hände zur Faust ballt. 

Tipps für eine angenehme erste Fahrt

Ob man nun von wirklicher Angst betroffen ist oder nicht, von der Psyche her sollte man bei der ersten Fahrt auf Nummer sicher gehen, empfiehlt Holger Walther: "Sie muss es quasi so abspeichern können: 'Ach, das ging ja ganz gut los! Machen wir morgen nochmal so.' Eine negative Erfahrung sorgt hingegen schnell für eine Blockade." Er rät daher, die Situation selber auszuwählen:

  • Das Auto: Nicht gleich mit einem riesigen Schlachtschliff losfahren, sondern lieber mit etwas Kleinerem. 
  • Die Mitfahrer: Ob man jemand Nettes auf dem Beifahrersitz haben will oder es lieber erstmal alleine durchziehen will, sollte man für sich selbst entscheiden.
  • Zeit und Ort: Besser nicht zu Stoßzeiten fahren und die Autobahn erstmal meiden. Gerade in Großstädten macht es Sinn, den künftigen Arbeitsweg Probe zu fahren, vielleicht am Wochenende.

Trockenübungen im Auto

Profisportler sind an mentales Training gewöhnt und können Dinge gut einfach nur im Kopf durchspielen. Dem Laien fällt das deutlich schwerer. Daher mache es laut Holger Walther Sinn, das Fahren erstmal "trocken" zu üben: im Auto sitzen, alles einmal anmachen, gucken, wo die Schalter sind. Oder einfach mal kuppeln und schalten, was ja auch funktioniert, wenn der Motor nicht an ist.

Wenn man dann etwas nicht mehr kennt, kann man gezielt im Handbuch nachschlagen. Dieses vorher vorbereitend zu lesen sei hingegen weniger produktiv: "Die reine Informationsflut verwirrt eher!" Gleiches gilt übrigens auch für das Theorie-Wissen: "Statt wieder ganz neu einzutauchen, lieber nur auffrischen, was sich an Verkehrsregeln in der Zwischenzeit geändert hat. Wenn man ehrlich ist, braucht man das meiste – wie Bremswegberechnungen – in der Praxis doch eh nicht."

Wann Fahrstunden Sinn machen

"Wenn ich ganz verunsichert bin und auch so nicht mehr aktiv am Verkehr teilnehme – zum Beispiel als Zweiradfahrer oder regelmäßiger Beifahrer, machen zwei, drei Fahrstunden durchaus Sinn", empfiehlt Holger Walther. Die Fahrschulen würden dies kennen und sogar anbieten, mit dem eigenen Fahrzeug zu fahren. Wenn man einen Führerschein hat, muss es schließlich kein spezielles Fahrschulauto mit Pedalen mehr sein.

Und nun die beste Nachricht zum Schluss: "Man verlernt das Autofahren nicht so schnell", sagt der Diplom-Psychologe und vergleicht es mit dem Skifahren: "Man hat das ganze Jahr nicht auf den Brettern gestanden, aber wenn man es einfach wieder macht, kommt die Routine von ganz allein. Unser Gehirn ist da spitze."

Unser Experte

Diplom-Psychologe Holger Walther arbeitet als Psychotherapeut in einer eigenen Praxis und bietet zudem die Psychologische Beratung der Humboldt-Universität zu Berlin an.

Nach seinem Ratgeber "Ohne Prüfungsangst studieren" (utb) hat er im Oktober 2016 das Buch "Ohne Angst am Steuer" (UVK) herausgebracht. 

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