Auch wenn es schwer fällt: Wir müssen über Tod und Trauer reden

Wiebke Mönning - 29.03.2017

Trauerbegleitung

Im Meer der Trauer: Wie du dir und anderen helfen kannst | Foto: Unsplash/Patryk Sobczak

Trauer – ein Chaos der Gefühle

Am Anfang steht der Schock. Du hast noch gar nicht begriffen, dass es wirklich passiert ist. Und plötzlich stehst du ganz alleine da, überwältigt von Gefühlen. Dass du mit deiner Trauer überfordert bist, ist vollkommen normal. Über den Tod spricht man ja auch nicht, er ist ein gesellschaftliches Tabu. Wut, Schuld, Verzweiflung, Einsamkeit, Orientierungslosigkeit, Erleichterung: In der Trauer brechen Gefühle auf dich ein, die sich teils sogar widersprechen. Damit umzugehen ist unglaublich schwierig.

"Trauer ist so individuell wie jeder Mensch individuell ist", sagt die freiberufliche Trauerbegleiterin Barbara Djaja aus Essen. Jeder trauert auf eine andere Art und Weise, dabei ist kein Gefühl falsch. Trauer betrifft Seele und Körper: Der seelische Schmerz kann so groß sein, dass man auch körperlich leidet. "Körperliche Erscheinungen wie zitternde Knie, Nervosität, Schlaflosigkeit und Appetitlosigkeit treten in der Trauer häufig auf", erklärt Barbara Djaja. "Man muss wissen, dass Trauer keine Krankheit ist. Sie kann krank machen, aber es ist keine Krankheit."

Auch das Verdrängen ist in der Trauer nicht grundlegend falsch: "Es gibt eine Zeit, in der der Tod verdrängt werden muss, weil wir funktionieren müssen."

Vier Aufgaben, denen sich Trauernde stellen müssen

Trauernde müssen laut William Worden vier Aufgaben durchlaufen, um die Trauer um den Verstorbenen hinter sich zu lassen und mit ihr zu leben. Der renommierte Harvard-Professor für Psychologie hat mit "Beratung und Therapie in Trauerfällen" ein Standardwerk zur Trauerarbeit veröffentlicht:

  1. Zu Beginn gilt es, den Verlust als Realität zu akzeptieren. Den Tod anfangs nicht wahrhaben zu wollen, ist nur natürlich, doch irgendwann musst du ihn emotional und mental akzeptieren.
  2. Als nächstes muss der seelische und körperliche Schmerz durchlitten werden.
  3. Die dritte Aufgabe ist wohl die härteste: Sich an die Umgebung anpassen, in der der Verstorbene fehlt. Das bedeutet für dich, die Rolle in deinem Umfeld und deine persönlichen Ziele neu zu definieren, während ständig Erinnerungen aufkommen. Das tut weh, macht dich aber auch stärker.
  4. Im letzten Schritt muss der verstorbenen Person ein neuer Platz im Leben gegeben werden. Das heißt nicht, dass du den Verstorbenen vergessen sollst! Doch nur so öffnest du dich wieder dem Leben.

Was in der Theorie schön und gut klingt, ist in der Praxis sehr schwierig für die Trauernden. Gerade am Anfang kommt schnell der Gedanke auf, dass man verrückt wird. Lässt der Schmerz irgendwann nach, kann auch das zu einem schlechten Gewissen führen. Das ist verständlich, aber unbegründet. "Irgendwann gilt es, die Trauer als zum Leben dazugehörend zu nehmen und zu neuen Horizonten aufzubrechen", rät Barbara Djaja.

Hilfe beim Umgang mit dem Schmerz

Was tun in dieser Situation, vor der man am liebsten davonlaufen würde? Es ist vollkommen normal, dich erstmal unter der Bettdecke verkriechen zu wollen. Auf lange Sicht wird es aber wahrscheinlich nicht helfen. Da Jeder anders trauert, helfen unterschiedliche Dinge dabei die Trauer und den Schmerz über den Verlust zu verarbeiten.

"Wenn es geht, sollte man rausgehen, in die Natur, das Offene", empfiehlt Barbara Djaja. Zudem rät die Trauerbegleiterin den Betroffenen: "Schreiben ist immer ein guter Faktor: Wie geht es mir körperlich, wie geht es mir geistig?" Das kann ein Stressprotokoll sein, bei dem man notiert, in welchen Situationen der emotionale Druck besonders hoch ist, oder auch Tagebuch, Gedichte, ein Traum-Tagebuch. "Diese vielleicht nur zwei Minuten am Tag ist man ganz bei sich, das ist sehr hilfreich. Und reden, viel, viel reden."

Andere in ihrer Trauer unterstützen

Besonders hilflos fühlen wir uns, wenn ein Freund jemanden verloren hat, da wir nicht wissen, wie wir mit dem Trauernden umgehen sollen. Spricht man ihn auf das Thema an oder wartet man, bis er es selbst anspricht? Am besten geht man nach dem eigenen Gefühl, meint die Trauerbegleiterin: "Sie werden den Trauernden ja und merken, ob er reden möchte oder nicht. Zuhören ist unglaublich wichtig."

Doch auch gut gemeinte Worte können falsch sein: "Das Unangenehmste was passiert ist, wenn Menschen sagen: Es wird schon wieder gut. Der Trauernde spürt dann, dass man eigentlich gar nichts damit zu tun haben will." Und bitte niemals sagen: "Die Zeit heilt alle Wunden", denn das tut sie nicht.

Wer mit der Trauer und dem Thema Tod selbst nicht zurechtkommt, sollte ehrlich zum Trauernden sein, so Barbara Djaja. "Ich würde dann sagen: Wenn was ist, melde dich, aber ich kann jetzt selbst nicht." Sonst ist niemandem geholfen. Andersherum sollte man einen Trauernden nie zu etwas drängen. Einzige Ausnahme: Wenn der Trauernde dem Sterben mehr zugeneigt ist als dem Leben!

Wo du Hilfe findest:

Wer sich allein gelassen fühlt oder nicht mit jemandem aus dem persönlichen Umfeld reden kann, muss trotzdem nicht alleine durch diese schwere Zeit.

  • Bei der Telefonseelsorge kannst du zu jeder Zeit und kostenlos mit jemandem über deine Gefühle sprechen. Du erreichst sie unter 0800/1110111 und 0800/1110222, kannst aber auch im Chat oder persönlich Beratung finden.
  • Selbsthilfegruppen und Beratung speziell für Suizidtrauernde bietet AGUS e.V. an.
  • Beim Bundesverband Trauerbegleitung e.V. findest du qualifizierte Trauerbegleiter in deiner Nähe.
  • Außerdem bietet nahezu jede Stadt ein Trauernetzwerk an, in dem du Hilfe und Unterstützung findest.

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