Scheinstudenten: Schlaue Sparer oder fiese Abzocker?
Wie viele sich nur für Studenten-Rabatte einschreiben, ist nicht bekannt | Foto: Nina Weymann-Schulz
Der Studentenstatus macht vieles günstiger
Auf den ersten Blick erscheint Constantin (Name von der Redaktion geändert) wie ein Multitalent. Der 28-Jährige hat seinen ersten Master längst in der Tasche und verdient inzwischen sein eigenes Geld. Constantin arbeitet in Festanstellung mindestens 40 Stunden die Woche – und studiert nebenbei in Vollzeit. Zumindest auf dem Papier ...
Der Student hat seit Monaten keine Vorlesung mehr besucht, seine letzte Prüfung liegt fast drei Jahre zurück. Das Einzige, was er für die Uni macht, ist die Überweisung des Semesterbeitrags. Constantin ist Scheinstudent. Er hat sich nach seinem Master in Betriebswirtschaftslehre für einen Bachelor in Anglistik eingeschrieben. "Vieles ist dank des Studentenstatus einfach günstiger für mich", sagt er. Bahnfahren zum Beispiel, mit seinem Semesterticket darf Constantin alle Regionalzüge in Nordrhein-Westfalen kostenlos nutzen. Manchmal hat der 28-Jährige deshalb ein schlechtes Gewissen. "Ich werde sicher auch bald damit aufhören", verspricht er.
Wer zahlt den Spaß? Der Steuerzahler!
Rund 250 Euro gegen ein halbes Jahr Studierendenrabatt – für den Scheinstudenten ein guter Deal, für die Allgemeinheit allerdings weniger. "Scheinstudenten belasten jeden einzelnen Steuerzahler", erklärt Katrin Albsteiger, CSU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Bildung und Forschung. Ein Studienplatz im geisteswissenschaftlichen Bereich koste beispielsweise etwa 20.000 Euro, einer im Fach Humanmedizin rund neunmal so viel. Dabei habe es 2014 in Deutschland allein rund eine halbe Million Studienanfänger gegeben.
Finanziert werden die Universitäten und Studiengänge vom jeweiligen Bundesland. "Dazu unterstützt der Bund gemeinsam mit den Ländern die Universitäten mit dem Hochschulpakt, um neue Studienplätze zu schaffen. In der Laufzeit von 2007 bis 2023 werden es fast 40 Milliarden Euro sein", so Albsteiger. Die Investitionen stammen aus öffentlichen Haushalten, es sind Gelder, die der Steuerzahler erwirtschaftet hat und von denen der Scheinstudent auf illegale Weise profitiert.
Scheinstudium: Strafbar, aber schwer zu beweisen
Laut Rechtsanwalt Fabian Nowak machen sich Scheinstudenten grundsätzlich eines Betruges strafbar. Problematisch sei allerdings der Nachweis: "Nicht nur, weil die Universitäten meist kein Interesse oder die personellen Möglichkeiten haben, die Scheinstudenten ausfindig zu machen, sondern vor allem deshalb, weil der Grund der fehlenden Leistungserbringung nur schwerlich feststellbar sein wird", erklärt der Jurist.
Unbekannt ist, wie viele Studierende es in Deutschland gibt, die nur aufgrund von Vergünstigungen an Universitäten und Hochschulen immatrikuliert sind. "Es gibt auch keine validen Erhebungen über die Anzahl von Studienabbrechern", sagt Dr. Patrick Honecker, Pressesprecher der Universität Köln. "Der genaue Schwund kann nicht beziffert werden, weil beispielsweise unklar ist, ob die Abbrecher danach einen anderen Studiengang erfolgreich beenden", erklärt Honecker.
Er selbst spricht allerdings ungern von dem Begriff Scheinstudent. Da manche Studierende während des Studiums Kinder bekommen, krank werden oder nebenbei arbeiten müssen, gehe die Universität Köln sehr behutsam mit dem Thema um. "Außerdem habe ich nicht den Eindruck, dass besonders viele Studierende nur wegen möglicher Vergünstigungen eingeschrieben sind", sagt er. Die Uni Köln biete inzwischen keine Studiengänge ohne Numerus clausus mehr an, was auf Scheinstudenten möglicherweise eine abschreckende Wirkung hat.
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