Freundschaft Plus: Wie funktioniert das Konzept "Friends with Benefits"?

Sandra Ruppel - 13.11.2019

Freundschaft Plus

Kann das Modell Freundschaft Plus funktionieren? | Foto: Priscilla du Preez/Unsplash

Freundschaft Plus: Wie definieren sich "Friends with Benefits"?

Theoretisch sagt es der Name ja schon: Eine Freundschaft Plus ist eine bestehende Freundschaft, zu der ein Plus hinzukommt. Und zwar der einvernehmliche Geschlechtsverkehr. "Friends with Benefits" eben, wobei der Benefit nicht nur aus dem Sex besteht, den man gemeinsam hat, sondern auch daraus, dass es keine Regeln oder Verpflichtungen gibt. Praktisch nutzen den Begriff aber auch Leute, die sich gerade erst kennengelernt haben, sich attraktiv finden, regelmäßig miteinander schlafen und sich parallel dazu anfreunden. Gerade hierbei ist die Grenze zur Affäre fließend. Denn wie hoch der Anteil der Freundschaft wirklich ist und ob und wie viel Zeit man dementsprechend auch unabhängig vom Sex noch miteinander verbringt, hängt natürlich immer individuell von den beteiligten Personen ab.

Für wen funktioniert eine Freundschaft Plus?

"Eine Freundschaft Plus ist vor allem für diejenigen geeignet, die gerade keine Beziehung eingehen können oder wollen", sagt Paartherapeutin Vera Matt. "Beispielsweise, weil demnächst ein Auslandssemester ansteht und man sich deshalb nicht binden möchte, gleichzeitig aber auch nicht auf Sex verzichten will", so die Paartherapeutin. "Auch für die, denen eine Beziehung zu eng ist, ist eine Freundschaft Plus geeignet. Es ist sozusagen eine Beziehung light", so Matt. "Da ist zwar jemand, mit dem man Dinge unternehmen und Sex haben kann, aber man muss keine Rechenschaft ablegen, ‚ich liebe dich‘-sagen oder die Eltern kennenlernen. Es bleibt unverbindlich und aufregend."

Keine Beziehung eingehen wollen oder können – das passt auch ganz gut zu dem, wie Wiebke ihre letzte Freundschaft Plus beschreibt. Über Tinder ist die Studentin auf einen entfernten Bekannten aus ihrer Schulzeit aufmerksam geworden. Die beiden haben sich gematcht, auf Tinder angeschrieben, sich getroffen und irgendwann dann den ersten Sex gehabt. "Uns war aber ziemlich schnell klar, dass eine Beziehung für uns nicht funktioniert", so Wiebke. "Er studiert in Köln, ich nicht und wir sind beide zeitlich ziemlich ausgelastet. Für eine Fernbeziehung haben unsere Gefühle nicht ausgereicht", sagt die Studentin. Für sie war die Freundschaft Plus vor allem unkompliziert: "Der Druck fällt weg. Zum Beispiel gibt es nicht die Erwartung, dem anderen zwischendurch mal eine kleine Freude zu machen. Generell sollte man aber auf jeden Fall entspannt sein, damit eine Freundschaft Plus klappen kann."

Freundschaft Plus: Was darf man erwarten, was nicht?

"Erwarten kann ich von einer Freundschaft Plus, dass ich unabhängig bleibe und dabei ungehemmten, freien Sex habe – weit mehr, als das bei einem One-Night-Stand der Fall ist", sagt Paartherapeutin Vera Matt. "Ein bisschen Unsicherheit ist auch dabei, denn ich weiß ja nicht, wie lange es weitergeht."

Nicht erwarten sollte man dementsprechend allerdings Routine, Sicherheit, Verbindlichkeit oder gar Treue und Exklusivität. Und auch sollte man nicht enttäuscht sein, wenn die andere Person keine Lust hat, zu Omas 80. Geburtstag mitzukommen und dabei netten Smalltalk mit der gesamten Verwandtschaft zu machen.

Freundschaft Plus: Wie verbreitet ist das Modell?

Das Konzept von Freundschaft Plus verspricht also maximale Freiheit, Spaß und Lockerheit bei minimalem Stress und nahezu keinen Verpflichtungen. Und obwohl das so vielversprechend klingt, wie ein monatlich kündbarer Vertrag im Fitnessstudio, bei dem sogar die Nutzung des Wellnessbereichs im Mitgliedsbeitrag von nur 14,99 Euro enthalten ist, ist das Modell F+ bei jungen Menschen eher nicht so weit vorne. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Meinungsforschungsplattform Appinio: 1002 Teilnehmer und Teilnehmerinnen zwischen 14 und 34 Jahren wurden gefragt, ob sie schon mal eine Freundschaft Plus hatten – und falls nicht, ob sie sich vorstellen könnten, eine zu haben?

63 Prozent der im Schnitt 23 Jahre alten Befragten haben angegeben, dass sie noch nie eine Freundschaft Plus hatten, 23 Prozent würden das Konzept der "Friends with Benefits" mal ausprobieren und 44 Prozent sagten, dass eine Freundschaft Plus für sie generell nicht infrage kommt.

Freundschaft Plus: Freiheit, Sex und no Stress für immer?

Dass laut Appinio-Umfrage zwar 23 Prozent schon mindestens eine F+-Vereinbarung hatten, diese aber weniger als drei Monate angedauert hat, passt auch zur Einschätzung von Paartherapeutin Vera Matt: "Gerade, wenn ich eine Freundschaft Plus mit jemandem führe, den ich zwar nett und sexuell anziehend finde, aber kein Beziehungspotenzial sehe, kann das bei der Person dazu führen, dass sie sich unzulänglich fühlt. Nicht gut genug", so Matt. "Das kann schmerzhaft sein und dann kracht es. Oder aber, einer von beiden verliebt sich."

Dass sich eine Person in die andere verliebt hat, ist auch für 27 Prozent der Appinio-Umfrage-Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Grund für das Ende der Freundschaft Plus gewesen.

Für 28 Prozent hat das "Friends with Benefits"-Modell geendet, weil sich einer von beiden in eine Person außerhalb der F+ verliebt hat – auch für Wiebke war das der Grund, ihre entspannte, gut laufende Freundschaft Plus irgendwann zu beenden: "Da ich meinen jetzigen Freund kennengelernt habe, war das mit uns von einem auf den anderen Tag vorbei. Aber wenn meine Beziehung nicht halten sollte und es dann noch passt, würde ich das definitiv wieder aufgreifen", so die Studentin. "Warum auch nicht? Wir haben uns nicht gestritten und verstehen uns immer noch gut."

Wie offen geht man damit um, eine Freundschaft Plus zu haben?

Für Wiebke war klar, dass sie die Freundschaft Plus für sich behält: "Ich wollte meinen Freundeskreis nicht unbedingt einweihen, weil ich nicht wollte, dass sie wissen, mit wem ich so im Bett bin, abgesehen von meinen Beziehungen", sagt sie. "Das ist für mich sehr privat und da es nichts "Ernstes" war, war es für mich nicht nötig, dass sie ihn kennen."

So ähnlich sehen es auch die Befragten der Studie: 69 Prozent würden ihrer Familie auf keinen Fall von einer F+ erzählen, 26 Prozent erzählen es auch ihren Freunden nicht. 54 Prozent sagen es immerhin ihren engsten Besties.

Insgesamt ist es eine sehr individuelle Entscheidung, wie offen man damit umgeht, dass man eine Freundschaft Plus führt. Sofern man den Freundeskreis teilt, kann es aber sinnvoll sein, sich mit der anderen Person gemeinsam zu überlegen, ob man alle einweiht oder nicht. Und sich zu fragen: Knutscht man vor den anderen? Generell in der Öffentlichkeit? Und wie möchte man vorgehen, wenn die Freundschaft Plus dann beendet wird?

Regeln in der Freundschaft Plus: Ja oder nein?

Ja, eine F+ soll locker, easy und aufregend sein. Und ja, deshalb sind Regeln in diesem Zusammenhang eher ein Abturner. "Trotzdem kann es schwierig sein, gar nichts zu verhandeln", sagt Vera Matt. Neben dem Umgang mit dem Freundeskreis bleibt nämlich zum Beispiel auch noch die Frage, ob man nach dem Sex beieinander übernachtet oder nicht. Und wie viel Nähe und Berührung man austauscht, wenn man Zeit miteinander verbringt, aber gerade keinen Sex hat?

"Die Balance, was und wie viel verhandelt wird, muss jedes Paar selbst für sich finden. Es kommt ja auch darauf an, ob die andere Person ein langjähriger Freund ist, oder jemand, mit dem ich einfach gern in der Lerngruppe herumblödele und ab und zu ins Kino gehe", so die Paartherapeutin. "Ob mit oder ohne Regeln: Insgesamt ist es eine gute Idee, ehrlich über Gefühle zu sprechen."

Eifersucht und Freundschaft Plus: Wie geht man damit um?

"Eifersucht hat in einer Freundschaft Plus nichts zu suchen, sondern gehört zum Beziehungsmodus", sagt Matt. "Bei Eifersucht geht es um Verlustangst. Der Angst davor, jemanden zu verlieren – der bei einer Freundschaft Plus ja aber gar nicht an meiner Seite ist. Wenn Eifersucht aufkommt", so die Paartherapeutin, "muss man sich eingestehen, dass einer von beiden mehr will und dann ist das Modell der Freundschaft Plus nicht mehr haltbar."

In so einem Fall – oder auch, wenn man die F+ aus anderen Gründen beenden will – sollte man vor allem ehrlich sein, empfiehlt Vera Matt. Ehrlich zu sich selbst und zu der anderen Person. Sagen, wie es einem geht und dabei keine Vorwürfe machen, sondern die Selbstoffenbarung wählen. Also nicht: "Du bist nicht das, was ich suche", sondern lieber: "Was ich gesucht habe, ist eine Freundschaft Plus ohne Verpflichtungen. Wir hatten eine schöne Zeit, aber jetzt merke ich, dass du etwas möchtest, was ich dir nicht geben kann."

Freundschaft Plus: So kann es doch funktionieren

Für Vera Matt ist klar, dass eine Freundschaft Plus am ehesten funktionieren kann, wenn von außen ein Zeitrahmen vorgegeben und ein klares Ende gesetzt ist: "Etwa, weil einer von beiden bald umzieht oder ins Ausland geht und dann die Entfernung zu groß ist. Bis dahin kann man die Zeit einfach genießen, weiß aber, dass es eine Frist gibt."

Über die Expertin:

Vera Matt ist Paartherapeutin, Mediatorin, Supervisorin und systemische Therapeutin. Ihre Praxis für Coaching und Psychotherapie befindet sich nahe Berlin in Falkensee in Brandenburg. Mehr Informationen zu ihr findest du auf der Seite ihrer Paartherapie-Praxis.

Die wichtigsten Ergebnisse der Appinio-Umfrage zum Thema "Freundschaft Plus" haben wir in einer Infografik für dich zusammengefasst:

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