Gendersensible Sprache an der Uni: Ja oder Nein?
Ob es uns passt, oder nicht: Sprache ist mächtig! | Thinkstock/Rohappy
Einfach "Student" schreiben reicht doch? Gilt nicht!
StudentInnen? Wissenschaftler*innen? Oder doch direkt Professx? Auch wenn es anstrengend ist, man kommt nicht drum herum, sich wenigstens ein bisschen damit auseinanderzusetzen, wie man etwas in seiner Hausarbeit formuliert.
Denn an vielen Unis wird es inzwischen nicht mehr so gern gesehen, wenn etwa einer wissenschaftlichen Arbeit der Hinweis vorangestellt wird, dass man sich wegen der besseren Lesbarkeit dafür entscheidet, im Nachfolgenden nur das generische Maskulinum zu verwenden und dabei die Frauen immer mitzumeinen. Je nach Uni und Professor/-in kann es sogar passieren, dass es Punktabzug gibt, wenn man in seiner Arbeit auf die Nennung der weiblichen Form verzichtet. Etwa an der TU Berlin, der Berliner Humboldt Uni oder der Uni Hamburg gibt es Lehrende, die unter Umständen Punkte abziehen.
ÜberzeuGENDERe Sprache
So ziemlich jede Uni hat inzwischen einen eigenen Leitfaden für gendersensible Sprache, der den Studierenden bei der angemessenen Formulierung in wissenschaftlichen Arbeiten helfen soll. Der Leitfaden der LMU München etwa erklärt auf wenigen Seiten übersichtlich die wichtigsten Punkte, die Uni Kassel liefert in ihrem zehnseitigen Manuskript "Geschlechtergerecht in Sprache und Bild" nicht nur Hinweise zum geschriebenen Wort, sondern gibt auch Anregungen, wie man stereotype Motive in Bildern vermeiden könnte.
Ein ziemlich umfassendes Dokument mit dem Titel "ÜberzeuGENDERe Sprache" hat die Gleichstellungsbeauftragte der Uni Köln zusammengestellt. Auf 32 Seiten wird hier erklärt, was sprachlich geht und was nicht.
Binnen-I? Gender*Star? Gender_Gap? Oder gleich alles nochmal auf Neu?
Wenn man sich durch die verschiedenen Leitfäden klickt, stellt man schnell fest, dass es bei der Sichtbarmachung aller Geschlechter in Sprache um viel mehr geht, als darum, ob man nun das Binnen-I, den Gender*Star oder den Gender_Gap in seiner Arbeit nutzt, um gendersensibel zu schreiben. Die Ungleichheit wird auch in zahlreichen weiteren Formulierungen enttarnt, die schon seit jeher so tief in unserer Sprache verwurzelt sind, dass es uns gar nicht mehr auffällt.
So wird in dem Kölner Leitfaden beispielsweise empfohlen, statt "Jeder macht mal Fehler“ lieber zu schreiben "Alle machen mal Fehler". Die Begründung: So kann das genderspezifische "jeder" vermieden und durch das genderneutrale "alle" ersetzt werden.
Auch das unbestimmte Pronomen "man" wird in dem Kölner Leitfaden als problematisch beurteilt, denn "man" klingt wie "Mann". Gemeint sind mit "man" aber eigentlich "alle". Letztlich funktioniert "man" also wie das generische Maskulinum – und meint Personen mit, die in dem Wort nicht gespiegelt werden.
Spätestens jetzt ist es soweit, dass man als Schreibende/r die Hände verzweifelt über dem Kopf zusammenschlägt und das eigene Sprachgefühl völlig in Frage stellt. (Du, liebe/r Lesende, kannst ja mal nachzählen, wie häufig "man" in diesem Text vorkommt und dir dabei das Entsetzen dieser Autorin hier vorstellen.) Immerhin, auch die Redakteurinnen und Herausgeberinnen (ja, alles Frauen) von "ÜberzeuGENDERe Sprache" scheinen hier an ihre Grenzen zu stoßen. Neben dem Kapitel zu "man" und weiteren Pronomen ist angemerkt, dass es zwar möglich, aber schwierig ist, Sätze mit "man" zu vermeiden oder umzuschreiben.
Sprache. Macht. Bewusstsein
Wer sich jetzt durch die Auseinandersetzung mit gendersensibler Sprache verwirrt und angestrengt zurückgelassen fühlt, oder gar genervt mit den Augen rollt, weil er/sie gendergerechte Sprache für unnötigen Quatsch hält, dem/der sei gesagt: Ja, ist anstrengend. Ja, nervt. Ja, es bewirkt, dass man total an dem zweifelt, was einem doch aber schon von klein auf durch Augen und Ohren geschwirrt ist. Trotzdem ist es wichtig, sich mal mit Gender in unserer Sprache auseinanderzusetzen.
Dabei ist nicht entscheidend, welche Varian_te m*an nun für das wissenschaftliche Arbeiten w/ählt. (Eine auswählen und diese kontinuierlich durchzuhalten ist zu empfehlen.) Viel wichtiger ist es, dass Sprache, und wie man sie einsetzt, ins eigene Bewusstsein rückt. Sprache kann, darauf weisen auch die verschiedenen Leitfäden hin, Machtstrukturen schaffen, sie abbilden und weiter transportieren.
Ob es uns gefällt oder nicht, Sprache hat Macht über uns – deswegen funktioniert Werbung auch so gut. Formulierungen und Worte haben Einfluss auf unser Denken und unsere Wahrnehmung. Es ist daher wichtig, verantwortungsbewusst mit Sprache umzugehen.
Es stimmt, dass es wenig Spaß macht, Texte mit vielen Unterstrichen, Sternchen oder Binnen-Is zu lesen. Aber Sprache wandelt sich permanent. Jeden Tag entstehen neue Wortschöpfungen und wer sich mit den bisherigen Lösungen nicht zufrieden geben will, der sollte sich nicht davon abhalten lassen, kreativ zu werden. Warum denn nicht für die nächste Hausarbeit einfach selbst ein gendersensibles Sprach-Konzept entwickeln?
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