NoFap: Die Porno-Verweigerer
Aus der Nachttisch-Schublade direkt in den Schredder … | Foto: Nikolai Goletz
Pornos sind Testosteron-Killer
"Hatte gerade einen Rückfall nach 22 Tagen. Es wird Zeit, dass ich einen Monat vollmache!", schreibt ein User bei Reddit. Und ein anderer: "Ich bin es leid, mehrmals am Tag zu onanieren und meine Zeit zu verschwenden. Let’s go!" Die wachsende NoFap-Community (aktuell ca. 185.000 Mitglieder) gibt es hier seit 2011. Der Amerikaner Alexander Rhodes hatte sie nach einem – offenbar erfolgreichen – einwöchigen Selbstversuch begründet. Mittlerweile betreibt er eine eigene Webseite, tritt als Mentor auf, ist gefragter Interview-Partner zum Thema Pornosucht.
Erst im Juni 2016 verabredeten sich wieder Hunderte selbsternannter "Fapstronauten" zu einer neuen Challenge. 90 Tage lang keine Pornos, Hand drauf! Denn je länger man abstinent bleibe, keine Pornos konsumiere und nicht Hand an sich anlege, so die Losung, desto besser fühle man sich. Man werde selbstbewusster, auch Frauen gegenüber, dynamischer, attraktiver, (sexuell) aktiver.
Die Heilsversprechen der NoFap-Gemeinde beruhen vor allem auf einer Studie aus China. Forscher der Zhejiang-Universität hatten 2003 herausgefunden, dass der Testosteron-Spiegel bei Männern nach sieben Tagen Onanie-Abstinenz deutlich ansteigt. Testosteron wiederum ist als Scharfmacher bekannt. Als Hormon, das Männer dynamisch, aggressiv, kraft voll – kurzum: zu Männern – macht.
Kein Mann um die 20 hat noch nie ein Sexfilmchen gesehen
Doch die China-Studie ist ein Sonderfall, die wissenschaftlichen Grundlagen sind extrem dünn. Das Schmuddel-Thema ist im Elfenbeinturm noch nicht angekommen. Und das, obwohl sich Pornographie nicht mehr in der hinterletzten Ecke der Erwachsenenvideothek versteckt, sondern allgegenwärtig ist. Bezeichnend dafür: Schon 2009 hatten Forscher der Uni Montreal – ausnahmsweise sozusagen – die Effekte von Pornos auf Männer untersuchen wollen. "Wir haben Männer in ihren 20ern gesucht, die noch nie Pornos konsumiert haben", so Studienautor Simon-Louis Lajeunesse. "Wir konnten keine finden."
Alec Sproten ist durch ein Internet-Meme auf die NoFap-Community aufmerksam geworden. Der Verhaltensökonom von der Uni Heidelberg startete Ende 2015 eine Umfrage, befragte über 2.000 Fapstronauten – darunter auffällig viele Studenten – im Abstand von einem Monat nach ihren Vorlieben, ihrem Verhalten, wie oft sie in letzter Zeit masturbiert hätten. Die meisten der Befragten hielten sich selbst für pornosüchtig, auf einer Skala von 1 bis 11 lag der Durchschnittswert bei 8,2.
Mehr Geduld dank Abstinenz
Jetzt sind Sprotens Ergebnisse da, und sie sind erstaunlich: Nach längerer Abstinenz seien seine Probanden vor allem geduldiger geworden. Sie konnten Belohnungen leichter in die Zukunft verschieben. Auch wurden sie altruistischer, gewissenhaft er, weniger neurotisch und risikoavers, gingen dafür mehr aus sich heraus. Macht Porno-Verzicht aus einem verpickelten Schwächling also einen selbstbewussten Kraftprotz? Ist Abstinenz für Männer eine rundum gute Sache? "Man sollte sehr vorsichtig sein, das so zu interpretieren", sagt Sproten zu UNICUM. Seine Ergebnisse beziehen sich auf Porno-Addicts, auf Hardcore-Konsumenten. Aber ja, "wenn man merkt, dass man ein Problem damit hat, dann wäre es vielleicht tatsächlich nicht schlecht, mal eine Zeitlang abstinent zu sein".
Auch Alexander Rhodes sei von seiner Studie begeistert gewesen, berichtet Sproten. Allerdings muss sie erst noch das Peer-Review-Verfahren überstehen, ist noch nicht wissenschaftlich abgesegnet. Aber es sehe gut aus, er sei zuversichtlich, so Sproten. Als Nächstes würde er gerne mal die hormonellen Veränderungen von Pornoguckern messen und seine Testkaninchen in den Hirnscanner schieben. Das Porno-Paradies, so scheint es, hat seine Pforten gerade erst geöffnet.